Freitag, 17. Juli 2015

Tag 16 03:53 - 03:52 (03.07.-04.07.)

GUten Tag, meine Lieben,

heute mit einiger Verspätung auf grund des schönen Wetters...

Das Brennen hat leider nicht nachgelassen und es ist bereits Morgens zu spüren. Ich muss also trinken - eine Niere ist zu teuer, um sie zu verlieren. Ich fahre also zu meiner Mutter und wir verbringen den Tag miteinander und essen Abends zusammen - sie bricht allerdings das Fasten nicht mit mir. Nun ja, eigentlich habe ich es bereits durch das Trinken gebrochen und ich müsste diesen Tag nun nachholen. D.h. auch die Tatsache, dass ich bis zum Iftar nicht gegessen habe, spielt keine Rolle - Ramadan ist Ramadan - wer trinkt, muss den Tag nachholen.

Über den Tag hinweg ist es dann doch besser geworden und Abends fahre ich meine Arbeitskollegin von der Arbeit abholen. Sie wollen noch ein Feierabend Getränk zu sich nehmen und fragen, ob ich auch etwas Sekt will - natürlich nicht. Ich trinke zwar Wasser, doch das dient einzig der Aufrechterhaltung meiner Nierenfunktion.

Wir unterhalten uns über Arbeitsbedingungen und  -moral, über Kollegialität und Krankheit und darüber, wie verpönt die Gastronomiebranche ist. Und wehe, jemand wird krank: in der Gastro ist es nämlich so üblich, trotz 40 Grad Fieber zur Arbeit zu erscheinen und eventuell eine chronische Bronchitis zu riskieren.

Eines der Mädchen stellt die Handtasche auf den Boden, da fragt meine Mitbewohnerin, ob es eine echte Michael Korrs Tasche sei - ja - "Und die stellst du auf den Boden" Fragezeichenausrufezeichenfragezeichen.

Eine andere erkundigt sich, wer Michael Korrs sei, allseits Erheiterung (die ich nicht verstehen kann. Ich weiß zwar, wer das ist und was es ist, aber ist es für das tägliche Leben nicht vollkommen uninteressant?).

Meine Mitbewohnerin erzählt eine Anekdote, die sie einen Gabbana Blazer auf der Arbeit trug und einer der Gäste sie fragte, ob sie die Tochter des Geschäftsführers sei - darauf verkündete sie: "Qualität sieht man eben!" Und nun kommt der Ausspruch, der den bislang netten Abend zu Nichte machte: einer der noch-Auszubildenden sprach fröhlich: "Billige Menschen sehen nun mal immer billig aus."

Faustschlag in den Magen. Ich habe Markenkleidung - sicher, denn in meinem Job wird das von mir erwartet, ein teures Kostüm zu tragen - solange niemand weiß, dass ich es im Sales zur Hälfte des eigentlichen Preises erstanden habe ;) . Doch niemals sollte ein Mensch danach beurteilt werden, was für eine Kleidung er trägt. Selbst wenn es nach Gottfired Keller geht und Kleider Leute machen - dies funktioniert nur, wenn man eine Literarische Figur ist. Ich bin schokiert und mache mir sogleich eine Notiz in mein Handy - eine andere Azubine schaut mich interessiert an und ich murmle: "Den Spruch muss ich mir kurz notieren..."

"Was für ein Spruch?" tönt es von der Dame, die den Spruch hat verlauten lassen. Ich wiederhole ihn und sage ihr, dass ich es nicht für richtig halte, einen Menschen nach seiner Kleidung zu beurteilen. Sie sagt, sie hätte das anders gemeint, nämlich dass jemand, der charakterlich nichts tauge auch in teurer Kleidung billig aussähe. Ich kann mir nicht helfen - aber das klang eben anders. Nun gut. Vermutlich bin ich nur auf Krawall gebürstet.

Einen Tag zuvor war ich bei Liebeskind (noch so eine sackteure Marke) und betrachtete eine Handtasche, die reduziert bei sage und schreibe (nun sollten die schwachen Gemüter sich die Augen zuhalten lassen...) 349,- Euro kostet. Schön und gut - sie ist aus echtem Leder und vermutlich hält sie auch dementsprechend lange. Vermutlich würde ich sie in  40 Jahren, wenn sie verblichen und zerfleddert ist, noch immer nicht hergeben wollen, da sie ja einmal so teuer war. Doch die Tatsache ist doch folgende, seien wir mal ehrlich: sie dient dazu, Dinge hineinzutun. Lippenstifte, Tampons, Geldbeutel, Handy. Und ja, wir sind Frauen und möchten diese Dinge nicht unbedingt in einem Jutesack auf dem Rücken tragen (Hipster ausgenommen) und die Tasche soll möglichst hübsch sein - alles schön und gut. Aber tut es das nicht auch für, sagen wir mal, 50,- Euro? Ich denke da an eine beliebige Familie, die mit 300,- Euro eines ihrer 8 Kinder am Leben halten könnte.

Ja ich weiß - wir haben diese Sorgen hier nicht. Wir haben hier andere Sorgen. Wie z.B. "hole ich mir einen Porsche oder tut es ein 7er BMW?" Große Fragen.

Ich frage mich, wenn es hier hart auf hart kommt und wir nicht mehr in dieser priviligierten Gesellschaft leben, in der kaum einer Tomaten anzubauen weiß - würde jemand eine Gurke gegen diese 349,- Euro Handtasche tauschen? Oder gegen einen Porsche?

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